„Demografischer Wandel als Querschnittsaufgabe“

In den Fallstudien der Expertenplattform „Demographischer Wandel“ beim Wissenschaftszentrum Sachsen-Anhalt (erschienen im Universitätsverlag der Martin-Luther-Universität Halle) wird Sachsen-Anhalt als „Hot-Spot“ für Abwanderung und Alterung (Friedrich / Pasternack 2012: 16) aus verschiedenen Perspektiven konturiert. Abwanderung und demografische Alterung betrifft insbesondere den ländlichen Raum. In diesem Zusammenhang ist besonders der Beitrag von Wolfgang Weiss und Jana Fritzsch (2012: 70ff) lesenswert. So konstatieren sie für die Altmark einen Bewusstseinswandel der Entscheidungsträger: der demografische Wandel ist ein zentrales Thema für alle vor Ort. In einer Befragung äußern etwa zwei Drittel der Verantwortlichen den Verlust von Kompetenzen im Umgang mit jungen Menschen:

„Vor allem infolge der besonders geringen Geburtenzahlen in den vergangenen zwanzig Jahren sind Kinder und Jugendliche im Alltag so selten geworden, dass viele Menschen nicht mehr wissen, wie sie sich ihnen gegenüber verhalten sollen. In sehr stark überalterten Ortschaften sind Kinder zuweilen schon so selten, dass – wie mehrfach von Lehrern bestätigt wurde –  ihre Sozialisation gegenüber Gleichaltrigen durchaus problematisch werden kann.“ (a.a.O.: 78).

Neben Sicherheitsdefiziten in Folge der Ausdünnung von Infrastruktur, dem Verlust von qualifizierten Erwerbsfähigen (besonders qualifizierter junger Frauen, wa sich vorallem auf das Sozialwesen auswirkt) sind die Schaffung von nachhaltigen Standort- und Haltefaktoren ein wichtiges Aufgabenfeld. Möglichkeiten, eine „regional angemessene Lebensqualität“ (a.a.O.: 82f) zu schaffen, werden vor allem darin gesehen, sich von einer „Regulation des Lebens nach städtischem Muster“ a.a.O.: 81) zu verabschieden und  Selbstverantwortungsräume zu schaffen. Dazu gehört beispielsweise, dass Dorfbewohner legitim Leistungen unter dem Rentabilitätsniveau anbieten können.

„Es ist richtig armseelig geworden in den Dörfern. Du siehst keine spielenden Kinder mehr (…).“

Dies sagt ein Förster aus dem Elbe-Elster-Kreis in dem vor einigen Tagen im ZDF (zdf info) ausgestrahlten Beitrag „Wir bleiben – Glauben an eine neue Wende“. Portraitiert wird hier ein junges Paar, dass sich bewusst entschieden hat, in ihrem durch Abwanderung und demografischen Wandel geprägten Herkunftsort zu bleiben. Aussterbende Dörfer und Kleinstädte sind für manche Sachsen-Anhaltiner insbesondere im Mansfelder Land oder der Altmark ein allzu vertrautes Bild. Ideen für den ländlichen Raum sind gefragt – und junge Menschen, die optimistisch sind und bleiben.

„Das Lebensgefühl einer Gesellschaft, …

in der jeder Zweite ein Kind oder Jugendlicher ist, unterschiedet sich allerdings grundlegend von dem einer Gesellschaft, in der nur jeder sechste Bewohner Kind oder Jugendlicher ist. Kinder und Jugendliche stellen heute nur noch eine Minderheit dar. Das bedeutet: Wir leben in einer kinderfremden Welt.“

Friedrich Manz (2011: 510) „Wenn Babys reden könnten … Was wir aus drei Jahrhunderten Säuglingspflege lernen können“ Fördergesellschaft Kinderernährung e.V.

Friedrich Manz, Kinderarzt und ehemals Leiter des Forschungsinstituts für Kinderernährung in Dortmund, beschreibt auf `nicht streng wissenschaftliche Weise` (vgl. a.a.O.: 6), wie Vorstellungen über und Zuschreibungen an Säuglinge den jeweiligen Umgang mit diesen prägten. So wurden Säuglinge einst ohne Schmerzmittel operiert, weil man davon ausging, sie empfänden keine Schmerzen. Das Vorbild eines angepassten außengesteuerten Bürgers führte zur Disziplinierungsprozessen des Säuglings ab dem ersten Tag der Geburt. Ein lesenswertes Buch über Wechselbälger, Ritzenteufel, Schmutzfinken, Traglinge, göttliche Kinder, Mütterschelte und „Krippen(un)wesen“, das Lust auf mehr macht.